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Sind Trainerhunde perfekt?



Kürzlich fragte mich eine Kundin, ob ich mit meinen Hunden auch Themen hätte, an denen ich arbeiten muss. Na klar, war meine Antwort, worauf sie neugierig nachfragte, was für Themen denn so ein Trainerhund hat. Da ich das öfter gefragt werde und manchmal auch erstaunte Reaktionen darauf bekomme, dass auch ICH mit meinen Hunden trainieren muss, schreibe ich da mal paar Zeilen zu.


Also, Trainerhunde sind auch einfach nur Hunde. Die wissen auch nicht, dass sie „Trainerhunde“ sind. Sie sind einfach, wer sie sind - Individuen mit einem Charakter, mit Stärken und Schwächen, mit bestimmten genetischen Voraussetzungen, mit Lebenserfahrungen, mit einem Umfeld, in dem sie leben, und mit mir als Hauptbezugsperson, mit der sie in einer Beziehung stehen, und die ihrerseits Stärken und Schwächen usw. hat. Und nur weil ich Trainerin bin, heißt das nicht, dass ich mit meinem jagenden Hund kein Anti-Jagd-Training machen muss. Bzw. dass tatsächlich auch mein Hund (der einer Urhundrasse angehört) jagdlich ambitioniert ist. Oder dass mein Junghund nicht pubertiert, sondern genauso Flausen im Kopf haben kann wie jeder andere Hund in der Pubertät auch. Und nur weil ich Trainerin bin, heißt das nicht, dass ich mit dem Finger schnipse und Themen wegzaubere, sondern auch ich trainiere, erziehe und manage.


Nur weil jemand Zahnarzt ist, hat der ja auch nicht von selber perfekte Zähne, sondern muss sie genauso putzen und auch zum Zahnarzt gehen wie jeder andere Mensch auch.

Nur weil jemand Lehrer von Beruf ist, sind seine eigenen Kinder nicht automatisch Musterschüler und machen ohne Lernen ein 1er-Abi.


Meine Hunde sind ganz normale Hunde mit ganz normalen hundlichen Bedürfnissen und Verhaltensweisen, mit einer genetischen Rassedisposition und ureigenen Charakteren. Und damit wir drei möglichst harmonisch zusammenleben können, muss ich mit ihnen (und an mir!) arbeiten. Der Unterschied zu einem „Nichttrainer“ mit einem „Nichttrainerhund“ ist einfach nur, dass ich niemand brauche, der mich von außen coacht, sondern das selbst tun kann. Zumindest bisher. Ich wäre mir nämlich nicht zu schade und nicht zu arrogant, mir Hilfe von einem Kollegen zu holen, sollte ich mal einen Hund mit Bedürfnissen haben, die meine Kompetenzen übersteigen.

Der Unterschied ist auch einfach nur, dass ich schneller erkenne, was ein Thema ist, was ein Problem ist, wo es seinen Ursprung hat, und was der Lösungsweg ist …. Den Weg gehen muss ich dann aber genau so wie jeder andere Hundehalter auch.


Also: Was sind sie denn nun, die konkreten Themen, an denen ich mit meinen Hunden derzeit arbeite?

Coffee … okay, Coffee ist tatsächlich das, was man sich so klischeehaft als „Trainerhund“ vorstellt. :D Er ist sowohl für mich persönlich als auch objektiv betrachtet einfach nur perfekt. Es gibt keinen perfekten Hund? Doch. Coffee. Jeder, der ihn kennt, wird mir zustimmen. Auf Coffee kann ich mich zu 100% verlassen. Er kann immer und überall frei laufen, meistens entfernt er sich dabei nur wenige Meter von mir, hat mich immer im Blick, hält immer Kontakt, trifft kaum selbständige Entscheidungen, sondern fragt mich. Und wenn er doch mal eine blöde Entscheidung trifft, kann ich ihn immer unterbrechen, ich habe ihn jederzeit „unter Kontrolle“. Nebenbei läuft er hier und da immer mal ein Rally Obedience Turnier in Klasse 3, der höchsten Klasse, haut da meistens hohe Punktzahlen raus, steht oft aufm Siegertreppchen … er ist wahrlich der Vorzeigeschüler schlechthin.


Aber ist er das, weil er ein „Trainerhund“ ist? Soll ich mich jetzt als geilste Trainerin ever feiern? Nö, ich mag lieber ganz ehrlich erzählen, dass Coffee erstens einer i.d.R. super easy zu trainierenden Rasse angehört, zweitens eine gute Aufzucht genossen hat, drittens einen sehr dienstbeflissenen Grundcharakter in die Wiege gelegt bekommen hat, viertens ich viel und fleißig mit ihm trainiert habe, fünftens wir unsere sportlichen Erfolge v.a. meiner tollen Trainerin zu verdanken haben und ich sechstens sehr selbstkritisch bin und auch über lange Zeiträume an Themen dran bleibe, die kleinen Verbesserungen anerkenne und nicht aufgebe. Das wäre aber nicht anders, wenn ich selber nicht Trainerin wäre.


Und Abilou? Abilou ist auch perfekt. Für mich zumindest, für manch andere wäre sie wohl eine Vollkatastrophe. Ich liebe ihre Energie, ihre Lebensfreude, ihre Sensibilität und ihre Hartnäckigkeit und dass sie mich immer wieder herausfordert und dazu zwingt, sehr kreativ zu sein. ;-) Abilou wäre kein idealer Anfängerhund, sondern sie ist der perfekte Trainerhund, denn sie macht mich als Trainerin besser.

Was sind ihre Themen? Sie pöbelt manchmal andere Hunde an. Aber nur manchmal. Und dann jedoch mit einer ziemlichen Vehemenz. Und sie macht das nach keinem leicht erkennbaren Muster, sondern es hat länger gedauert, bis ich das durchblickt habe. Und meine gängigen Trainingsstrategien, die bisher noch IMMER geholfen haben, hat sie eine nach der anderen als für sie unbrauchbar abgehakt. Sodass ich wieder kreativ werden, viel bei mir schauen und Neues ausprobieren musste und muss. Danke, Abilou! Du bist genau die Herausforderung, die ich mir gewünscht hatte!

Was hat sie noch für ein Thema? Sie jagt wie Sau! Und hier dachte ich tatsächlich anfangs, dass das meine Kompetenzen übersteigt und ich nochmal einen professionellen Blick von außen von einem Spezialisten brauche. Aber nein - brauche ich nicht, denn hier zeigt sie mir, dass meine Ansätze goldrichtig und ausreichend sind, aber schlicht mehr Zeit und Geduld brauchen, als es Ottonormalverbraucher lieb wäre. Hier profitiere ich von der Geduld, die mich Jara und Coffee schon gelehrt haben, und ich sehe die Fortschritte, die Abilou macht. Sie macht sich toll, sie lernt toll, sie kann sich immer besser bei jagdlichen Reizen regulieren, und ich entwickle selbst ein immer besseres Gespür darin, ihr dabei zu helfen. Irgendwann wird auch sie von außen betrachtet wie ein „verzauberter Trainerhund“ aussehen, und man wird glauben, dass sie so ist, weil ich mal eben kurz meine magische Hand aufgelegt habe.


Wenn ich das könnte - wie schade wäre das? Wie viele Lektionen, wie viel Selbsterkenntnis, wieviel gemeinsamen Weg mit meinem Hund würde ich missen?

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